Dättwil – Die Firma AP Dialog beschäftigt auch Blinde und Sehbehinderte und schätzt deren kognitive Fähigkeiten
VON KATIA RÖTHLIN
Seit knapp einem Jahr ist die Verkehrsinsel bei der Bushaltestelle Täfern in Dättwil umgestaltet. Sie wurde erhöht und auf den Trottoirs durch weisse, ebenfalls erhöhte Markierungen ergänzt. So ist es auch für Blinde und Sehbehinderte Menschen möglich, die Mellingerstrasse gefahrlos zu überqueren.
Umgestaltet wurde die Insel, weil im Industriequartier Täfern die Firma AP Dialog ihren Sitz hat. Rund 20 Prozent der Mitarbeitenden im Unternehmen, das im Telemarketing angesiedelt ist, sind blind oder sehbehindert. Entstanden ist AP Dialog aus der Fusion der Agendaset GmbH und der Phontom GmbH. Erstere war ein Integrationsprojekt für Blinde und Sehbehinderte in Bern.
Schulungen brauchen mehr Zeit
«Ein Callcenter braucht eine gewisse Grösse, damit es rentabel betrieben werden kann», sagt Peter Frommenwiler, Geschäftsleiter der AP Dialog. Darum habe man 2009 die Agendaset gekauft. «Ich hatte vorher keine Erfahrung mit blinden oder sehbehinderten Mitarbeitern», sagt Frommenwiler. In einigen Bereichen habe er sich umgewöhnen müssen. «Die Schulung zum Beispiel braucht mehr Zeit. Ich kann nicht einfach eine Power-Point-Präsentation machen, sondern muss jede Folie vorlesen», erklärt Geschäftsleiter Frommenwiler.
Überblick dank Braille-Tastatur
An einem Arbeitsplatz, der speziell für Blinde eingerichtet ist, sitzt der 40-jährige Martin Käufeler. Er ist seit Geburt blind. Seine Hände wechseln blitzschnell zwischen der Computertastatur und einer Apparatur, die den Bildschirminhalt in Brailleschrift übersetzt. Über die Kopfhörer bekommt er von einer Computerstimme Angaben zum Bildschirminhalt. Käufeler telefoniert gerade mit einem Kunden einer Firma, die eine Buchhaltungssoftware herstellt und versucht, ihn von einem Update zu überzeugen. «Wir machen die Termine aus, der eigentliche Verkauf ist die Aufgabe der Herstellerfirma», so Käufeler.
«Es ist für uns als Blinde schwierig, geeignete Arbeitsstellen zu finden.»
Martin Käufeler, Mitarbeiter AP Dialog
«Es ist für uns als Blinde schwierig, geeignete Arbeitsstellen zu finden», sagt Käufeler, der seit 2006 bei Agendaset und jetzt bei AP Dialog arbeitet. Nach der Handelsschule und einem Praktikum bei der Gemeinde Wettingen arbeitete Käufeler bei einer Firma am Empfang. Doch reine Telefonistenstellen werden immer rarer. Bei AP Dialog hat Käufeler eine Teamleaderfunktion. Die Herausforderung gefällt ihm, und für ihn war der Umzug von Bern nach Dättwil ein Glücksfall. «Ich wohne in Nussbaumen, der Arbeitsweg ist jetzt viel kürzer», sagt er.
Mehr Kunden erwünscht
Gerne würde Peter Frommenwiler weiteren Blinden und Sehbehinderten einen Arbeitsplatz anbieten. Aus diesem Grund will er Firmen motivieren, auf die speziellen Fähigkeiten von Blinden zu setzten. «Wir verdienen nicht mehr Geld, einfach weil wir Blinde beschäftigen», sagt er. Zu den Kunden von AP Dialog gehören neben Firmen auch gemeinnützige Organisationen und Hilfswerke. AP Dialog übernimmt Terminvereinbarungen, Bedarfsanalysen, Fundraising oder Mitgliederwerbung. Aber auch Bestellservices oder Hotline werden angeboten. Es gibt viele Kunden, die Wert auf eine Zusammenarbeit mit einem sozialen Arbeitgeber legen. Dabei ist eine hohe Qualität oberstes Ziel und die kann die Firma auch dank der kognitiven Fähigkeiten ihrer blinden Mitarbeiter erreichen. «Mittelfristig möchten wir 35 bis 40 Arbeitsplätze anbieten», so Frommenwiler.